Hewlett-Packard wird Boykott-Ziel
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Vom 25. November bis 3. Dezember findet eine internationale Aktionswoche gegen HP statt. Diese koordinierten Aktivitäten stellten einen Höhepunkt der bisherigen weltweiten Bemühungen dar.
HP wird von der palästinensisch geführten Kampagne für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) schon lange für seine Rolle bei der Verletzung palästinensischer Grundrechte durch Israel kritisiert. Das Unternehmen rühmt sich einer „massiven Präsenz“ im Land: Es beschäftigt über 5700 Angestellte vor Ort und gehört zu den Hauptlieferanten von Informationstechnologie für die israelische Armee.
Die US Campaign for Palestinian Rights (früher US Campaign to End the Israeli Occupation) und der palästinensische nationale BDS-Ausschuss (BNC) haben im Sommer 2016 zwei Online-Workshops, sogenannte Webinars, zum Thema HP organisiert.
Am ersten Webinar mit ungefähr 180 TeilnehmerInnen aus 18 Ländern wurden die Gründe für eine Kampagne gegen HP aufgeführt. Gastrednerin war Caroline Hunter, führende Aktivistin der Boykottkampagne gegen das Unternehmen Polaroid, das sich an der südafrikanischen Apartheid beteiligt hatte. 1970 fand Hunter, die damals als Chemikerin für Polaroid arbeitete, heraus, dass die Sofortfototechnologie des Unternehmens für das Ausstellen der berüchtigten Pässe benutzt wurde, die der Kontrolle und Einschränkung der Bewegungsfreiheit von schwarzen SüdafrikanerInnen dienten. Sie wurde vom Unternehmen wegen ihres Aktivismus und der Forderung, dass Polaroid zur Verantwortung gezogen wird, gefeuert.
Die Kampagne, die nach sieben Jahren in einen Erfolg mündete, war in den USA der Startschuss für die Boykott- und Desinvestitionsbewegung gegen die Apartheid. Das Beispiel diente ausserdem dazu, die Öffentlichkeit über die Situation in Südafrika aufzuklären und ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen.
Im zweiten Webinar lag der Fokus auf der konkreten Umsetzung einer Boykott- und Desinvestitionskampagne gegen HP. „Analog zu Polaroid, das während der Apartheid ein entscheidendes Boykottziel war, weil es Südafrika mit bildgebenden Technologien für das berüchtigte Passsystem ausstattete, muss sich die internationale Gemeinschaft erneut zusammentun, um die Unternehmen der HP-Gruppe zu boykottieren, die heute die bildgebenden Verfahren für israelische Checkpoints liefern“, sagte Anna Baltzer, eine Organisatorin der US Campaign for Palestinian Rights, gegenüber Electronic Intifada.
Militärische Schlüsselrolle
HP beteiligt sich in grossem Massstab an der Rüstungs- und Sicherheitsinfrastruktur Israels: Das Unternehmen stattet das Verteidigungsministerium mit Informationssystemen aus, liefert und unterhält die Server der Armee und pflegt die IT-Infrastruktur der Marine.
EDS Israel, das heute unter dem Namen HP Enterprise Services Israel auftritt, hat das sogenannte Basel-System zur biometrischen Identifikation entwickelt und installiert und ist für dessen Unterhalt zuständig. Das System kam erstmals 2004 am Eretz-Checkpoint im Gazastreifen zum Einsatz und ist nun an mehr als 20 israelischen Checkpoints im ganzen Westjordanland und rund um den Gazastreifen in Betrieb.
Nebst der Rolle bei der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der PalästinenserInnen und dem Durchsetzen von ethnischer Segregation werden mit dem System auch biometrische und personenbezogene Daten der PalästinenserInnen gesammelt. HP liefert zudem Drucker an die israelischen Gefängnisse und verwaltet deren IT.
Das Unternehmen unterhält ausserdem ein Entwicklungszentrum in der israelischen Siedlung Beitar Illit und hat ein Datenspeicherungssystem an die Siedlung Ariel geliefert. Eine HP-Fallstudie nennt Ariel in Übernahme der israelischen Bezeichnung für den nördlichen Teil des besetzten Westjordanlands die „Hauptstadt von Samaria im Herzen Israels“. Eine Landkarte in der Fallstudie bezeichnet das gesamte Gebiet vom Jordanfluss zur Mittelmeerküste als Israel, ohne das Westjordanland und den Gazastreifen zu erwähnen.
Eine Studie von Hasadna, einer israelischen Organisation, die sich für Transparenz und eine informierte Öffentlichkeit einsetzt, zeigt, dass HP „von allen privatwirtschaftlichen Unternehmen die höchste Anzahl an Verträgen mit der Regierung ohne Ausschreibungsverfahren erhalten hat“ – noch ungeachtet der Verträge mit dem Verteidigungsministerium, die in der Studie nicht untersucht wurden.
Stütze der israelischen Unterdrückung
Diese Rolle von HP als Stütze der israelischen Unterdrückung gibt den Anlass für eine palästinaweite Boykottkampagne gegen das Unternehmen.
Das Projekt Palestinian Youth Together for Change hat unter dem Namen Mutharkeen (“die Beweger”) eine Kampagne lanciert und verschafft sich durch Präsentationen in Gemeinden, unter Studierenden und an Universitäten im Gazastreifen, dem Westjordanland und in Israel Aufmerksamkeit. Die Gruppe sammelt Unterschriften für die Zusage, HP zu boykottieren, was gemäss Begleittext als „Absage an unsere geografische und moralische Fragmentierung durch die zionistische Kolonisierung sowie an die Unterdrückung unserer kollektiven Identität als PalästinenserInnen” zu verstehen ist.
Der HP-Boykott ist auch ein Fokus von BDS Italia. Die Gruppe ermutigt Organisationen, sich zu verpflichten, in ihren Büros keine HP-Produkte zu verwenden. Die italienische Gewerkschaft Unione Sindacale di Base hat im Mai 2016 einstimmig beschlossen, die BDS-Kampagne zu unterstützen, und ruft seitdem ihre lokalen Vertretungen und Mitglieder auf, keine HP-Produkte zu kaufen. Auch soziale Bewegungen wie das Forum Italiano dei Movimenti per l’Acqua, die NGO Un ponte per… und die Gewerkschaft COBAS haben ähnliche Zusicherungen abgegeben.
Die britische Palestine Solidarity Campaign hat HP ebenfalls als Hauptziel für die Boykottkampagne ausgewählt. Über 18'000 Personen haben online ihre Zusage gegeben, keine HP-Produkte zu kaufen. An mehr als 20 Orten haben AktivistInnen während eines nationalen Aktionstages gegen die Beteiligung des Unternehmens an israelischen Menschenrechtsverletzungen protestiert.
Von Südafrika und Burma nach Palästina
Bereits in der Vergangenheit musste HP öffentlichem Druck nachgeben. 1989 hat sich das Unternehmen teilweise aus Südafrika zurückgezogen, nachdem es zunehmend in den Fokus der Antiapartheidkampagne geriet. Das Unternehmen versprach, den dortigen Ableger zu verkaufen, betonte aber, weiterhin Computer auf dem südafrikanischen Markt verkaufen zu wollen.
1996 zog sich HP aus Burma zurück. Grund dafür war ein Gesetz in Massachusetts über gezielte Einkaufspolitik, das der Regierung des US-Bundesstaats untersagte, Verträge mit Unternehmen einzugehen, die in Burma tätig sind.
Die Presbyterianische Kirche in den USA stimmte 2014 dafür, Investitionen aus HP abzuziehen, solange sich das Unternehmen an der israelischen Besatzung beteiligt. Vor der Abstimmung versuchte HP noch, sein beschädigtes Image mit einem Brief an die Kirche zu retten. Darin wurde behauptet, das Basel-System verhindere „Reibereien“ an israelischen Checkpoints.
Auf eine Bitte, diesen Artikel zu kommentieren, hat HP nicht reagiert.
Quelle: Electronic Intifada
Stephanie Westbrook, US-amerikanische Aktivistin, lebt in Rom. Sie schreibt regelmässig über verschiedene Aspekte der Solidaritätskampagnen.
Die Kampagne gegen HP wird auch in Deutschland, Frankreich und der Schweiz mitgetragen. Am 3. Dezember 2016 findet ein erstes Kampagnentreffen von BDS Schweiz statt.