Anti-israelischer Wirtschaftsboykott gewinnt an Fahrt

05.09.2010

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Am 5. September veröffentlichte die englische Ausgabe der israelischen Zeitung Haaretz einen Artikel über die zunehmende Boykottbewegung von Israel:
Deutsche Uebersetzung von Barbara F.
 
Die Beträge, um die es geht, sind nicht bedeutend, aber ihre internationale Auswirkung ist immens. Boykottmaßnahmen einiger Regierungen geben den Anstoß für den Boykott durch private Institutionen in aller Welt.
 
Die ganze Woche war von Nachrichten über Boykottmaßnahmen bestimmt. Es begann mit einigen Dutzend Theaterleuten, die das neue Kulturzentrum in Ariel boykottierten, was sich fortsetzte mit der Unterstützung durch eine Gruppe von Autoren und Künstlern, die eine Stellungnahme zugunsten dieser Theaterleute veröffentlichten. Anschließend kündigte eine Gruppe von 150 Dozenten verschiedener Universitäten an, dass sie es ablehnen würden, am Ariel-College zu lehren oder an irgendwelchen kulturellen Veranstaltungen in den besetzten Gebieten teilzunehmen. Natürlich setzte all dies heftige Reaktionen in Gang, einschließlich der Drohung von Sanktionen gegen diese Leute. Dies geschah alles auf lokaler Ebene. Es gibt noch einen anderen Boykott, diesmal einen internationalen, der zunehmend eine Eigendynamik entwickelt: den Wirtschaftsboykott. In der letzten Woche entschied das chilenische Parlament, einen Boykott zu verabschieden über israelische Produkte, die in den Siedlungen hergestellt werden. Dies geschah auf Veranlassung der Palästinensischen Autonomiebehörde, die den Boykott solcher Produkte einige Monate zuvor beschlossen hatte. Im September 2009 kündigte der norwegische Finanzminister an, dass ein großer Staatsfonds seine Anteile an Elbit Systems wegen der Beteiligung dieses Unternehmens am Bau des Trennungszauns verkauft habe. Im März erklärte ein großer schwedischer Investmentfonds, dass er aus demselben Grund vom Erwerb von Elbit-Anteilen Abstand nehmen werde.
Im letzten Monat kündigte der norwegische Pensionsfonds an, dass er dabei sei, seine Vermögensanlagen an Africa Israel und seiner Tochtergesellschaft Danya Cebus wegen ihrer Beteiligung am Siedlungsbau in den besetzten Gebieten aufzugeben. Die Beträge, um die es geht, sind nicht bedeutend, aber ihre internationale Auswirkung ist immens. Boykottmaßnahmen einiger Regierungen geben den Anstoß für den Boykott durch private Institutionen in aller Welt. Neue Welt Menschenrechtsorganisationen in Europa führen mit Nachdruck Kampagnen für einen Boykott israelischer Produkte durch. Sie demonstrieren vor Supermärkten und schwingen Parolen gegen israelische Waren. Arbeiterorganisationen mit Millionen von Mitgliedern schicken ihren Leuten Rundschreiben und fordern zu einem Verzicht israelischer Produkte auf. Ich sprach mit Farmern, die von europäischen Einzelhandelsketten berichteten, die nicht länger vorhätten, israelische Produkte zu kaufen. Dasselbe gilt für eine Handelskette in Washington. Die Welt ist dabei, sich vor unseren Augen zu verändern. Vor fünf Jahren schien die antiisraelische Bewegung kaum eine Bedeutung gehabt zu haben. Jetzt wächst es sich aus zu einem Wirtschaftsproblem. Bis jetzt waren die Organisatoren des Boykotts radikale Linke. Sie haben einen neuen Verbündeten: islamische Organisationen, die in den letzten 20 Jahren in ganz Europa gewaltig an Stärke gewonnen haben. Das Ergebnis ist eine rot-grüne Allianz mit einer beträchtlichen Macht. Die rote Seite gilt als Verfechter von Menschenrechten, die grüne Seite verfügt über Geld. Die Vereinigung dieser beiden war es, die zu dem Erfolg der türkischen Flottille nach Gaza geführt hat. Sie haben bemerkt, dass der Boykott eine besonders effektive Waffe gegen Israel ist, denn Israel ist ein kleines Land, das auf Exporte und Importe angewiesen ist. Sie verweisen auch auf den Erfolg des Wirtschaftsboykotts gegen das südafrikanische Apartheidregime. Die antiisraelische Strömung entstand gleich nach der Operation Cast Lead gegen Gaza, als die Welt durch Life-Berichterstattung des Fernsehens Zeuge davon wurde, wie Israel Gaza mit Bomben überzog. Keine Public-Relations-Maschinerie der Welt konnte den Tod Hunderter Kinder, die Zerstörung ihrer Heimat und die zermürbende Armut erklären, von der ein Volk durch jahrelange Isolation heimgesucht wurde. Ihnen wurde nicht einmal erlaubt, Schrauben heranzuschaffen, um Schultische zu bauen. Dann kam die Gaza-Flottille, zumal noch mit prominenten Friedensaktivisten, was mit dem Tod von neun Menschen endete, und was weiteres Öl ins Feuer goss. Die Basis der allgemeinen Wut gegen Israel liegt in der Enttäuschung. Seit Gründung des Staates und auch vorher schon verlangten wir von der Welt besondere Bedingungen.
Wir machten uns ihr Schuldgefühl zu Nutze, da sie untätig geblieben waren, als sechs Millionen Juden ermordet wurden. David Ben-Gurion nannte uns ein Licht unter den Nationen, und wir standen groß da und sagten, dass wir, der kleine David, stark und gerecht dem großen, bösen Goliath standhalten würden. Die Welt wusste diese Botschaft zu schätzen und gab uns, ausländischen Presseberichten zufolge, die Mittel zur Entwicklung der Atombombe, damit wir einen zweiten Holocaust abwenden könnten. Aber dann kam die Besatzung, die uns in den bösen Goliath verwandelte, in den grausamen Unterdrücker, eine finstere Gestalt unter den Nationen. Und jetzt zahlen wir den Preis dafür, dass wir uns selbst als die Gerechten hingestellt und dann so sehr enttäuscht haben: Boykott.

Haaretz 05.09.10

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