Die Besetzung des Westjordanlandes und das Verbrechen der Apartheid: Rechtsgutachten
Categories: Apartheid und Siedlungskolonialismus, Internationales Recht
Anfang August hat die israelische Juristen-NGO Yesh Din ein Rechtsgutachten veröffentlicht, welches zum Schluss kommt, dass Israel dort ein Apartheidregime errichtet hat.
Yesh Din, 09.08.2020 - Die Schlussfolgerung dieses Rechtsgutachtens: Im Westjordanland begeht Israel systematisch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form eines Apartheidregimes, dessen Opfer die palästinensische Bevölkerung ist.
Die israelische Besatzung ist nicht nur ein Regime der Herrschaft und Unterdrückung, sie geht mit einem gigantischen Kolonisierungsprojekt einher, das im besetzten Gebiet eine Gemeinschaft von Bürger*innen der Besatzungsmacht geschaffen hat. Das Verbrechen besteht auch darin, dass die Besatzungsmacht nicht nur das besetzte Gebiet besiedelt, sondern auch grosse Anstrengungen unternimmt, um ihre Herrschaft über die unter Besatzung lebende Bevölkerung und deren minderwertigen Status zu zementieren.
Es handelt sich um ein Verbrechen der Apartheid, weil die israelischen Behörden im Kontext der Beherrschung und Unterdrückung einer nationalen Gruppe durch eine andere nationale Gruppe unmenschliche Handlungen, Politiken und Praktiken umsetzen, die dem im Völkerrecht definierten Tatbestand unmenschlicher Handlungen entsprechen. Zum Beispiel: Verweigerung von Rechten einer nationalen Gruppe; Verweigerung von Ressourcen einer Gruppe und deren Übertragung auf eine andere Gruppe; physische und rechtliche Trennung zwischen den beiden Gruppen; und die Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme, um nur einige zu nennen.
Die Behauptung aller bisherigen israelischen Regierungen, die Situation sei nur vorübergehend und es gebe weder den Wunsch noch die Absicht, die Herrschaft und die Unterdrückung der Palästinenser*innen oder ihren minderen Status aufrechtzuerhalten, fällt in sich zusammen angesichts der eindeutigen Beweise, dass die gesonderte Politik und die gesonderten Praktiken Israels im besetzten Gebiet in der Absicht verfolgt werden, die Herrschaft über die Palästinenser*innen und deren Unterdrückung sowie die Vormacht der in das Gebiet eingewanderten Israelis aufrechtzuerhalten und zu festigen.
Wie das Gutachten weiter festhält, verfolgt die israelische Regierung im Westjordanland einen Prozess der «schrittweisen Annexion». Aus administrativer Sicht bedeutet Annexion die Aufhebung der Militärherrschaft über das annektierte Gebiet und die territoriale Ausdehnung der Befugnisse israelischer Behörden bis tief in das Westjordanland hinein.
Die schleichende Annexion, ganz zu schweigen von der offiziellen Annexion bestimmter Teile des Westjordanlandes durch eine Gesetzgebung, die dort israelisches Recht und israelische Verwaltung einführen würde, käme der Vermischung zweier Rechtsformen gleich. Es würde dem schon mehrfach geäusserten Argument Vorschub leisten, dass Israel das Verbrechen der Apartheid nicht nur im Westjordanland begeht, sondern insgesamt ein Apartheidregime, ein Apartheitsstaat ist.
Das ist erschreckend und beschämend. Auch wenn nicht alle Israelis die Schuld für dieses Verbrechens tragen, sind wir alle verantwortlich dafür. Es ist unsere Pflicht, die Pflicht jeder/s Einzelnen von uns, entschlossene Massnahmen zu ergreifen, um dieses Verbrechen zu stoppen.
Originalartikel: Yesh Din
Übersetzung: BDS Schweiz